PDS und WASG haben sich am 16. Juni zur neuen
Partei „Die Linke“ vereinigt. Das Ergebnis des
Gründungsparteitags ist keine Gestaltungspartei,
sondern eine Protestpartei. Gerade darum
muss die Auseinandersetzung mit ihr auf der
Sachebene geführt werden. Die konkreten Punkte,
die die so genannte Linke vorschlägt, sind
keine tauglichen Lösungen für die Zukunft:
- Die so genannte „Linke“ lehnt Friedensmissionen unter UN-Mandat ab und will die
NATO abschaffen. Sie will, dass Deutschland
sich international isoliert. Statt dessen soll
sich unser Land an Hugo Chaves und Evo
Morales orientieren. Am Ende bleiben Deutschland
noch Venezuela und Bolivien als internationale
Partner.
- Die so genannte „Linke“ will die alten Staatsmonopolewieder herstellen. Das bedeutet
weniger Wettbewerb, weniger Qualität und
hohe Preise. Am Ende heißt das für die
Kunden: zurück zum grauen Einheitstelefon
mit Wählscheibe.
- Die so genannte „Linke“ will die Arbeitsmarktreformen rückgängig machen. Sie reduziert
Sozialpolitik auf Umverteilung von Geld und
ignoriert die wirklichen Ursachen von Armut
und Chancenungleichheiten. Am Ende heißt
das: bürokratische Verwaltung und nicht
Überwindung von Arbeitslosigkeit, weniger
Betreuung und konkrete Hilfen.
Etikettenschwindel
Der Name „Die Linke“ ist Vortäuschung falscher
Tatsachen. Die politische Linke steht in der Tradition
der Aufklärung und des Fortschritts. Diese in
sich widersprüchliche Gruppierung, deren Identität
negativ auf die Ablehnung des sozialen Wandels
gerichtet ist, reklamiert jetzt mit dem Namen
„Die Linke“ einen Alleinvertretungsanspruch auf
linke Politik in Deutschland. Der taktisch gemeinte
und großspurig daherkommende Etikettenschwindel
soll die Tatsache bemänteln, dass die Partei nur
eine schmale Minderheit der gesellschaftlichen
Linken für sich interessieren kann. Das ist kein
Wunder, denn viele ihrer Forderungen sind altbakken,
beschönigen die Vergangenheit, wollen den
Zustand der Bundesrepublik in den 70er und 80er
Jahren wieder herstellen. Sie orientieren sich an nationaler
Isolation und polemisieren gegen die internationale
Verantwortung. Die Linke war immer
fortschrittsorientiert. Sie steht in der Tradition der
Aufklärung. Die neue Partei dagegen tritt rückwärtsgewandt,
populistisch und konservativ auf.
Die „Linke“ gibt sich als gesamtdeutsche Partei.
Die Wahrheit ist: Drei Viertel der Mitglieder kommen
aus dem Osten. Unter ihren Mitgliedern
befinden sich immer noch viele ehemalige
SED-Kader.
Im Wesentlichen schlüpfen einige Tausend
Mitglieder der WASG in die Strukturen der alten
PDS. Die erweiterte PDS ist keine gesamtdeutsche
Partei. Im Westen verfügt die Partei über
keine fest gebundenen Wählerpotenziale über
2 -3 Prozent hinaus.
Einige Vertreter der Linken, vor allem im Osten
Deutschlands, geben sich als moderne Reformer.
Die Wahrheit aber ist: diese sind offenkundig
eine Minderheit in der Partei. Sowohl die Alt-
Kommunisten im Osten als auch die neu hinzugekommenen
Hardliner im Westen sehen diese
als Gegner. Auf dem Gründungsparteitag haben
Sahra Wagenknecht und sektiererische Trotzkisten
bessere Wahlergebnisse erhalten als die Vertreter
des Reformflügels.
Partei von gestern –
konservative Reformverweigerung
Das tragende Milieu der PDS ist geprägt durch
den Statusverlust nach dem Zusammenbruch
der DDR. Dies ist nicht gleichzusetzen mit materiellen
Nöten. Denn viele der inzwischen im Ruhestand
lebenden ehemaligen Angestellten und
öffentlich Bediensteten profitieren von der Integration
in das Sozialsystem der Bundesrepublik,
sind abgesichert und beziehen auskömmliche
Renten. Hinzu kommt allerdings auch im Westen
der Zuspruch von Arbeitslosen und Arbeitern, die
sich als „Verlierer“ oder „Abstiegsbedrohte“ des
wirtschaftlichen und sozialen Wandels sehen.
An diesen Gefühlslagen setzen die politischen
Kernforderungen der neuen Partei an. Trotz antikapitalistischer
Rhetorik vertritt die „Linke“
mehrheitlich – einige sektiererische Randgruppen
ausgenommen – keine Position revolutionärer
Systemüberwindung. Dies würde auch den
fortschrittsskeptischen und konservativen Grundemotionen
der ganz überwiegend älteren Mitgliedschaft
nicht entsprechen. Vielmehr konzentriert
sich die Partei mit aller Kraft auf Fragen der
Reichtumsverteilung, propagiert eine möglichst
hohe Besteuerung von größeren Einkommen,
Vermögen und Erbschaften. Sie fordert ein größtmögliches
Maß an materieller Absicherung bei
Arbeitslosigkeit und im Ruhestand. Die prominentesten
Einzelpunkte sind nicht zufällig das
Zurückdrehen der Arbeitsmarkt- und Rentenreformen.
Diese Form der
Sozialpolitik ist reduziert auf möglichst
hohe Zahlungen und macht die Qualität
des Sozialstaates an der Summe des Geldes fest,
das er denen auszahlt, die nicht oder nicht mehr
erwerbstätig sind. Keine Rolle spielen die
Gedanken der Aktivierung und Integration in den
Arbeitsmarkt. Kein Thema ist die Modernisierung
der Arbeitsvermittlung, die Arbeitslosigkeit nicht
nur verwalten, sondern den betroffenen Menschen
möglichst individuelle Hilfen bereitstellen
soll. Auch die Chancen und Fähigkeiten Älterer
auf dem Arbeitsmarkt werden ausgeblendet. Es
geht der „Linken“ ausschließlich darum, das Renteneintrittsalter
nicht zu erhöhen.
Die Partei leugnet die Tatsache, dass eine Gesellschaft
des längeren Lebens zu Reformbedarf bei
der sozialen Sicherung führt. Sie setzt sich nicht
damit auseinander, dass es künftig mehr Ältere
und weniger Jüngere gibt und dass die Menschen
einen längeren Ruhestand genießen können. Die
Linkspartei sperrt sich damit gegen einen langfristigen,
zukunftsfähigen Ausgleich der Lasten zwischen
Erwerbstätigen und Rentnern. Die schrittweise
Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67
Jahre bis 2029, die Ergänzung der Altersvorsorge
um private Elemente und eine Verbesserung der
Arbeitsmarktchancen von Menschen über 50 Jahren
gehören zu einem nachhaltigen Gesamtkonzept
der Alterssicherung, das die SPD vertritt. Es
stabilisiert die gesetzliche Rentenversicherung
finanziell und soll die Erwerbschancen der Menschen
verbessern. Die „Linke“ hingegen hält am
Status-quo fest. Das ist gegen die Interessen der
aktiven Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
deren Abgabenbelastung steigt, es ist gegen die
Interessen der heutigen Rentner, deren Rentenerhöhung
an Wirtschaftswachstum und entsprechende
Lohnzuwächse gekoppelt ist, und es kann
denen, die in Zukunft in den Ruhestand gehen,
immer weniger Sicherheit bieten.
Wirtschaftspolitisch setzt die „Linke“ alles auf die
Karte nationaler Steuererhöhungen, Expansion
staatlicher Ausgaben und Überführung „strukturbestimmender“
Unternehmen in öffentlichen
Besitz. Sie stellt bei diesen Forderungen in ihren
„Programmatischen Eckpunkten“ (dem gemeinsamen
Programmdokument von PDS und WASG)
keine Überlegungen an, welche Auswirkungen
dies unter den Bedingungen einer internationali-
sierten Wirtschaft hat. Ob höhere Steuersätze
tatsächlich zu mehr Staatseinnahmen führen oder
im Gegenteil den Abfluss von Kapital und Wirtschaftskraft
zur Folge haben, ob der Staatshaushalt
auf Dauer handlungsfähig bleibt, der
„Linken“ ist es gleichgültig, denn worauf es ihr
ankommt, ist die Gesinnung, nicht der praktische
Erfolg der Politik. Vor allem blendet die „Linke“
wesentliche Aspekte der ökonomischen Stärke
Deutschlands aus. Innovationspolitik, Forschung
und Entwicklung, internationale Wettbewerbsfähigkeit
– alles Fremdworte für die „Linke“.
Auch in der Außenpolitik zieht sich die „Linke“ aus
der Verantwortung. Sie lehnt jede Beteiligung
der Bundeswehr an Auslandseinsätzen ab, auch
Missionen mit UN-Mandat. Damit entwertet sie
die Vereinten Nationen und stellt nationalen
Isolationismus vor internationale Solidarität. Die
Partei scheut die unbequeme Auseinandersetzung
mit neuen internationalen Risiken, dem Zerfall
von Staaten, der Verfolgung ethnischer Minderheiten
und dem internationalen Terrorismus.
Auch hier zeigt sich die Rückwärtsgewandtheit,
die mental vor 1989 stehen geblieben ist.
Rückt man die Einzelforderungen in ein Gesamtbild
und bringt die „Vision“ der Linkspartei auf den
Begriff, so kommt ein konservatives Politikverständnis
heraus. Der nur auf Geldleistungen reduzierte
Sozialstaat ist nach ihrem Verständnis der
umfassende Sicherheitsgarant. Er kann es aber
immer weniger sein, denn die „Linke“ zieht keine
Konsequenzen aus der Globalisierung, dem Wandel
der Arbeitswelt und der demografischen Entwicklung.
Deshalb kann sie auch die Interessen der
Arbeitslosen und der abhängig Beschäftigten
nicht vertreten. Wer die Verantwortung ablehnt,
unsere sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest
zu machen, wird auf Dauer nur noch mehr Verunsicherung
schaffen.
Protestpartei,
die auf Ängste setzt
Die Linkspartei ist als Protestpartei entstanden,
die Sozialreformen kategorisch ablehnt. Das
begründete ihr öffentliches Echo in einer kritischen
Zeit, in der viele Menschen die Entlastung
durch Steuersenkungen subjektiv nicht registrierten,
aber umso stärker durch stagnierende
Reallöhne, höhere Zuzahlungen bei der Gesundheitsversorgung,
neuen Anforderungen privater
Altersvorsorge und tatsächlichen oder befürchteten
Kürzungen bei Arbeitslosigkeit verunsichert
waren. In einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs
und besseren Lohnabschlüssen, in der
die Zuversicht wieder wächst, entfernt sich die
„Linke“ von der breiten Mehrheit der Menschen.
Die Partei setzt auf Ängste, nicht auf eine eigene
positive Gestaltungsperspektive. Die Reformer
sind in der Minderheit. Sogar die überwältigende
Mehrheit der eigenen Anhänger traut der
„Linken“ nicht zu, soziale Probleme lösen zu können.
Das ist ein dramatisches Misstrauensvotum.
Weil die Führungsspitze der Partei die Zahlen
kennt, setzt sie bewusst auf populistische
Fundamentalopposition.
Ihr neuer Vorsitzender, Oskar Lafontaine, will
nicht regieren, weil er von der Protestrolle profitiert.
Es ist kein Wunder, dass ihm die NPD bereits
mehrfach applaudierend zur Seite gesprungen
ist, wenn er von „Fremdarbeitern“ spricht oder
die nationale Abschottung Deutschlands verlangt.
Demagogie
und Geschichtsvergessenheit
Misst man die Linkspartei an Äußerungen ihrer
Spitzen und an Aussagen in ihren Programmatischen
Eckpunkten, so ist sie nicht im geeinten
Deutschland angekommen. In den demagogischen
Attacken gegen die parlamentarische
Demokratie schwingt die freiheitsfeindliche
Tradition kommunistisch-autoritärer Kaderparteien
nach. Die in den Parteitagsreden von Oskar
Lafontaine in Dortmund, am 25. März, und in Berlin,
am 16. Juni, aufgestellte Behauptung, in
Deutschland werde gegen den Willen des Volkes
regiert, zeigt seine Probleme, Wahlergebnisse
und Mehrheitsentscheidungen anzuerkennen.
Die Forderung nach dem politischen Massenstreik
zur Durchsetzung von Minderheitsmeinungen
ist ein Zeichen der Frustration, mit allen
noch so aggressiven Tiraden die meisten Menschen
nicht überzeugen zu können.
Von Geschichtsblindheit zeugt es, die systematische
Unterdrückung und Verfolgung von
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
durch das SED-Regime gleichzusetzen mit der
Lage der Kommunisten in der Bundesrepublik.
Mit der 1968 gegründeten DKP gab und gibt es
eine legale kommunistische Partei, die allerdings
ebenso wie die „Sozialistische Einheitspartei“ im
Westen Berlins immer eine sektiererische
Splittergruppe blieb. In ihren Programmatischen
Eckpunkten erhebt die „Linke“ den Anspruch,
sich mit der „Geschichte linker Praxis in der DDR“
auseinanderzusetzen, „antikommunistische Vorurteile
und einseitige Beurteilungen“ zurückzuweisen.
Tatsache ist, dass „linke Praxis“ im Sinne
einer Freiheitsbewegung im SED-System mit
aller Staatsmacht unterdrückt wurde. Wer die
Verfolgung von Sozialdemokraten und Bürgerrechtlern
durch den Kommunismus klein redet,
hat die Verbindung zur freiheitlichen Linken verloren.
PDS und WASG
in den Wahlen seit 2005
PDS und WASG sind in vier von sechs Wahlen auf
Länderebene, die seit dem gemeinsamen Einzug
in den Bundestag 2005 stattgefunden haben,
gescheitert.
Bei den
Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im
März 2006 konnte die PDS zwar 4,2 Prozentpunkte
zulegen. Doch bei den zeitgleich stattfindenden
Wahlgängen in
Rheinland-Pfalz und
Baden-Württemberg scheiterte die dort antretende
WASG mit 2,7 % (RLP) bzw. 3,1 % (BW) deutlich
an der 5-%-Hürde.
Einen Rückschlag erlebte dann auch die PDS im
September 2006 in
Mecklenburg-Vorpommern,
wo sie bei 18% stagnierte und die Regierungsbeteiligung
verlor.
In
Berlin, wo die PDS unter realistischen Bedingungen
mitregiert und normale Kompromisse
eingehen muss, kam es zu einem dramatischen
Vertrauensentzug der Wählerinnen und Wähler.
Bei den Zweitstimmen gab die Partei mehr als 9
Prozentpunkte ab und büßte besonders im
Ostteil der Stadt mit Minus 19,6 Prozentpunkten
an Rückhalt ein. Allein die
Bremer Bürgerschaftswahlen
im Mai 2007 brachten der auf Landesebene
erstmals gemeinsamen antretenden
Linkspartei mit 8,7 % den erhofften Erfolg.
Fazit
Die angebliche „Linke“ ist eine Partei, die vom
Protest lebt. Wachsen Zuversicht und Vertrauen
in Deutschland, sinkt das Potenzial einer Partei,
die Ängste mobilisiert.
Die Politik der „Linken“ ist konservativ und rückwärtsorientiert.
Sie hat keine moderne linke Idee
für die Zukunft.
Die SPD scheut die programmatische Auseinandersetzung
mit der „Linken“ nicht. Die SPD ist
die Partei des Friedens und der sozialen
Gerechtigkeit. Sie ist das Original, schon seit 1863.